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Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 18:27
von Phil
Hallo liebe Leute,

ich erzähle Euch mal eine kleine Geschichte, wie Dinge richtig schief gehen können... :facepalm2:

Und im Idealfall kann man dabei auch lernen, wie man es eben nicht machen sollte.

Alsoooo... Im März ist auf meiner Bühne eine sehr frühe A65 mit einem amtlichen Lagerschaden angelandet. Das Ding hatte seinerzeit übelst geklackert, beim Zerlegen hatte ich dann gesehen, dass ein Pleuel an der Verschraubung komplett lose war.
Ihr mögt Euch erinnern an das nachfolgende Bild.

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Ich glaube wahrscheinlich zu oft, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, weil ich seinerzeit sofort konstatiert hatte, dass der Vorschrauber einfach vergessen hatte, das Pleuel auf Drehmoment zu ziehen. Das war dann sozusagen eine arg kurze Fehleranalyse. :pfeiffen:

Also einmal Welle schleifen, rechter Stopfen und Hülse raus, die Kurbelwelle entschlammt, die Hülse geputzt, den rechten Stopfen wieder rein, neue geschmiedete Alu-Pleuel von Harris und neue Schalen, neue Buchse, neues Lager links und tacko.

Den linken Stopfen hatte ich nicht mal in den Pfötchen, weil der bombenfest saß und die Hülse normal nach rechts ausgebaut werden konnte zum Putzen.
Dazu muss man wissen, dass die Kurbelwellen der A65 der ersten Baujahre den Hohlraum für die Schlammhülse durchgebohrt haben, es gibt also zwei Stopfen aka crankshaft oil plug, einer rechts und einer links.
Soweit ich weiß, ist das bei den A7/A10 auch so gewesen, zumindest hatte die A10 big journal-Welle, die ich unlängst in der Mache hatte, auch zwei Stopfen.

Der Moder war also wieder zusammengebaut und irgendwann lief das Moped dann an.

Nach 300 km hatte sich der stolze Besitzer gemeldet, sein Moped würde üble Geräusche machen.
Kann nicht sein, denke und sage ich, und dann hatte ich mir das dann angesehen. Der Kolben im OPRV war frei, die Ölschläuche waren auch richtig montiert, bei den dry frame-A65 muss man die Schläuche kreuzen vom Öltank zum manifold. Das wird gerne mal übersehen bei der Montage.

Am Anfang hatte ich gedacht, da hört einer Flöhe husten, so schlimm wird das wohl nicht sein, weil die A65 eh alle a weng rasseln und klappern.

Ich hab' das Ding angetreten und nach 2 sec wieder abgestellt, weil sie wirklich arg arg üble Geräusche gemacht hatte.

Top end ab. Macht den Ton am Rechner an, hier könnt Ihr sehen und hören, was ich da vorfand... :shock: :shock: :shock:

Lasst es mich so sagen, so richtig begeistert war ich da nicht. :facepalm2:

Also den Moder raus und gespalten, et voilà noch ein weiteres Video zum Radialspiel am Pleuel rechts.

Irgendwann war dann die Welle draußen und die Pleuel ab. Auffällig war dabei, dass die Verschraubung des rechten Pleuels ziemlich leicht aufging, also die 30 Nm, die da draufgehören, waren da nicht mehr vorhanden.

Schaut Euch die Bilder an. Pleuel tot, Lagerschalen tot, Hubzapfen verhunzt. Wirklich kein schöner Anblick. :shock: :shock: :shock:

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Warum ist das in Dreiteufelsnamen nochmal passiert?

Und ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich drauf gekommen bin, an was der neuerliche Defekt lag, auch wenn es beim zweiten Mal nicht das linke, sondern das rechte Pleuellager war, das krepiert ist.

Um Euch nicht weiter auf die Folter zu spannen, es lag an den Stopfen.

Hier ein Bild der Kurbelwelle mit demontiertem rechten Stopfen, die Hülse ist noch drin. Man sieht die schräge Bohrung, über die das Öl von der Buchse kommend in die Hülse gefördert wird, über selbige werden dann die Pleuel versorgt.

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Und das ist der Stopfen, der da montiert war. Der Stopfen hat eine Nase/eine Titte angedreht, wie man sehen kann.

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Wenn man das jetzt so montiert, wie das der Holländer gemacht hatte, dann verschließt diese Nase den Zufluss von Öl in die Hülse selber, oder begrenzt den Ölfluss in die Hülse zumindest extrem.
Schaut Euch mal die Verfärbung an der Hülse an, da ist das bisschen Öl, das da ankam, anständig heiß geworden. Um es mit Alex-Boy zu sagen: ...so richtig Horrorshow... :shock:

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Und zack, reicht die Ölmenge nicht, um beide Pleuel auf dem hydrodynamischen Keil aus Öl laufen zu lassen. Öldruck haste da satt, weil es läuft ja nichts rein in die Pleuellagerung, nutzt nur nix, wenn die Ölmenge fehlt.

Das geht dann ziemlich fix, die Schale fängt an zu fressen, läuft sich auf dem Hubzapfen ab und schmiert den zu, malträtiert den Hubzapfen, die Schale verliert ihre Form und fängt an sich in der Grundbohrung zu drehen, die Pleuelverschraubung verliert dadurch Vorspannung.

Und wieder hatte der Eigner des Mopeds richtig viel Massel, dass das Pleuel noch ganz geblieben und nicht gerissen ist.

Eigentlich ist die Lage der Stopfen in der zugehörigen spare parts list für das entsprechende Baujahr schön dargestellt, sehet selbst. Den flache Stopfen hätte ich auf die rechte Seite montiert müssen.

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Nur wenn so ein Depp wie ich, mit einer übergroßen Portion Selbstvertrauen ausgestattet, dann sofort konstatiert, dass der holländische Vorschrauber die Pleuelbolzen nicht richtig festgezogen hat, ohne auf die der fehlenden Vorspannung zugrundeliegenden Ursache zu kommen, einfach wieder so zusammenschraubt. Dann macht man das halt zweimal. :facepalm2:

Klar waren die Bolzen lose, aber auf Neusprech: der root cause des Defekts waren die vertauschten Stopfen der Schlammhülse.
Und ich hatte das beim ersten Mal genauso wieder zusammengebaut, wie das vom Holländer montiert war, ohne weiteres Nachdenken. Weil der Holländer war ja zu blöd, um einen Drehmomentschlüssel zu nutzen. Ich hatte das ja sofort erkannt....
Dabei hätte ich nur in die spare parts list schauen müssen...

Mein Gott, das ist richtig peinlich. :facepalm2:

Der Moder ist mittlerweile wieder zusammen und drin, er läuft gut jetzt.

Und die Moral von der Geschicht'?

Ich hab' Euch den Fläz hier geschrieben, um Euch sozusagen live und in Farbe vorzuführen, dass es ganz viel Sinn machen kann bzw. macht, nicht auf die erstbeste Fehlerdiagnose zu vertrauen und auch die eigenen Fähigkeiten durchaus kritisch zu sehen bzw. zu hinterfragen.

Und es ist natürlich für die Jungs geschrieben, die A7/A10 oder ganz frühe A65-Wellen in der Mache haben.

Schaut vor dem Einbau der Stopfen in die spare parts list, da ist es richtig abgebildet, wo die hingehören.

Und, jetzt dürft Ihr all Euren Spott und auch die vorhandene Häme über mir ausgießen, verdient habe ich das allemal. :oops:

Schöne Grüße

Ph.

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 18:47
von Mineiro
Warum Spott und Häme ? Eher Respekt das du das so offen publik machst. Vor allem das Andere was lernen können aus dem Fehler und ihn hoffentlich nicht nachmachen.

Denke mir hätte das durchaus auch passieren können weil ich auch oft Dinge so wieder zusammen baue wie ich sie auseinander gebaut habe. Wer hinterfragt und checkt schon ob jedes Bauteil so gehört. Klar war da ne lose Mutter und naheliegend ist eben falsches Drehmoment. Das mit den Stopfen der Schlammhülse ist schon recht tricky. Muss man erstmal drauf kommen das sowas dafür die Ursache sein kann.

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 19:09
von Wuselwahnwitz
Solche Sachen passieren mal....
EINMAL nicht so wie immer gemacht.. Und Zack.
Ist zwar doof, aber davon geht die Welt nicht unter.

Und weil meine Zeitmaschine gerade kaputt ist kann man auch nicht in die Vergangenheit reisen um das ganze gerade zu rücken.

Ich finde es aber BOMBE dass du uns das Dilemma nicht vorenthalten tust(sic!)

Also dann alle:
Immer die Augen auf, immer konzentriert bleiben, lieber zwei Mal prüfen, locker bleiben, keine Hektik, immer attraktiv bleiben.

Gräm dich nicht!

Cheers
Wu

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 19:12
von Alexander
Und mal eben fix ein Pleuel zur Hand haben . Ich dachte , das A65 Teile nicht überall nach belieben gibt .

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 19:32
von Leftie
Wow, ein eindrucksvolles Lehrstück! Ich hoffe Phil, die Geschichte wurde nicht auch noch allzu teuer - dass man sich selbst am liebsten in den Allerwertesten beißen könnte, ist ja schon Strafe genug ](*,) :shock:.

Gruß, Ralph

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 19:47
von Henrik
Hey Phil, :halloatall:

ich ziehe meinen Hut, dass du deinen kleinen Kunstfehler hier offen teilst, um uns davor zu bewahren.

Immerhin kannst du jetzt sicher wieder ruhiger schlafen, da die Ruth Kohs nun klar ist. O:)

Shit happens…to everybody…

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 22:34
von edwardturner
Lieber Phil,

kann ich 100% nachvollziehen daß ein solcher Supergau einen erstmal runterzieht und an seinen Fähigkeiten zweifeln lässt.
Aber Du hast den Kopf nicht in den Sand gesteckt, es wieder hingekriegt und gehst aus der Sache klüger und stärker raus.

Spott und Häme? Nicht von uns, stattdessen Hochachtung vor Deiner Ehrlichkeit, Mut und Selbstreflektion!
Weitermachen!

Gruß,
Eddie

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Samstag 25. Oktober 2025, 23:35
von Moritz
Moin Phil,
Das sehe ich auch so wie die Kollegen. Als A7 und A10 Besitzer bin ich dir sehr dankbar das du das geteilt hast, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann das die A7 Welle zwei verschiedene Stopfen hatte.
Ich bin in den letzen paar Jahren mehrfach laut Scheisse schreiend wie Rumpelstilzchen durch die Werkstatt gerannt weil ich nicht aufgepasst hatte.
Bei der TR6 weiss ich jetzt zum Beispiel das es den Öldruckschalter mit 2 Gewinden gibt, einmal als normales Zollgewinde und einmal konisch...komisch.
Oder wusstet ihr das es den alter Renault R4 als rechtdrehenden Motor und linksdrehenden gibt? Wusste ich auch nicht bis ich nach einem Getriebetausch 4 Rückwärts-und eine Vorwärtsgang hatte...
Manche Sachen haben einige Wochen gebraucht bis ich die verdaut habe.
Kopf hoch, Krönchen richten und weiter...und danke für den ausführlichen Bericht.
Gruß Moritz

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 09:54
von bosn
Wo gehobelt wird- fallen Späne.
Blöd , aber nu isset wieder gut.
Shit happens
Ärger dicht nicht
:halloatall:

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 10:16
von Psycho Ed
Kann alles passieren....und nun ist ja alles wieder in bester Ordnung.
Ich habe auch schon bei -alten, ausgenudelten (von der "Insel"stammenden)- UMPHs FLACHE Stopfen gesehen, die so tief hineingewürgt-(mit Schlagschruber etc.)
bzw. hineingedroschen waren, das selbst der flache Stopfikus die Ölbohrung zur Hälfte "dicht gesetzt" hat. Gruselig. Da lohnt sich immer VOR Montage
alles genau nachzumessen. :schlaumeier:

:laola: :laola:

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 10:29
von JeffB
WOW gute Lehrstunde, Phil. Respekt uns das zu zeigen.
Man lernt eben nie aus. Ein typischer Bestätigungsfehler aka confirmation bias.
Ich glaub das hier kaum jemand noch so um die Ecke gedacht hätte um auf die falsch montierten Stopfen zu kommen.

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 11:19
von beaufort
Danke fürs teilen, Phil!
Und mein Respekt :respekt:!
Gruß, Klaus

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 11:44
von Phil
Danke, liebe Leute. Mein Ärger über die Chose bzw. über mich selber ist mittlerweile verflogen, auch wenn ich zeitweise schon arg geknickt war.

Klaro, am Ende ist es nicht sooooo wichtig, es gibt weitaus wichtigere Dinge im Leben als Mopeds, es dreht sich nur um Alu und Stahl und einen Moder.

Was ich Euch eben erzählen bzw. Euch davor warnen wollte, das ist das Risiko, das in Schnellschüssen bzw. superkurzen Fehleranalysen liegt. Es muss nicht immer das Ding sein, das man als offensichtlich erachtet.

Schöne Grüße

Ph.

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 19:21
von Öko
Man ärgert sich hinterher, aber was solls, unbeabsichtigte Fehler passieren nun mal, macht keiner mit Absicht....hast es ja wieder glatt gezogen. :laola:

Re: Böser Fehler...

Verfasst: Sonntag 26. Oktober 2025, 20:15
von Lokheizer
Phil, so ein Lehrstunde vergißt man auch als Leser nicht. Vielen Dank für Deinen Bericht !!

Die BG sagt, Unfallverhütungsvorschriften sind mit Blut geschrieben, bei uns ist es doch genauso.
Prinzip Lernen durch Schmerz.

Viele Grüße
Bernd