ich erzähle Euch mal eine kleine Geschichte, wie Dinge richtig schief gehen können...
Und im Idealfall kann man dabei auch lernen, wie man es eben nicht machen sollte.
Alsoooo... Im März ist auf meiner Bühne eine sehr frühe A65 mit einem amtlichen Lagerschaden angelandet. Das Ding hatte seinerzeit übelst geklackert, beim Zerlegen hatte ich dann gesehen, dass ein Pleuel an der Verschraubung komplett lose war.
Ihr mögt Euch erinnern an das nachfolgende Bild.

Ich glaube wahrscheinlich zu oft, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, weil ich seinerzeit sofort konstatiert hatte, dass der Vorschrauber einfach vergessen hatte, das Pleuel auf Drehmoment zu ziehen. Das war dann sozusagen eine arg kurze Fehleranalyse.
Also einmal Welle schleifen, rechter Stopfen und Hülse raus, die Kurbelwelle entschlammt, die Hülse geputzt, den rechten Stopfen wieder rein, neue geschmiedete Alu-Pleuel von Harris und neue Schalen, neue Buchse, neues Lager links und tacko.
Den linken Stopfen hatte ich nicht mal in den Pfötchen, weil der bombenfest saß und die Hülse normal nach rechts ausgebaut werden konnte zum Putzen.
Dazu muss man wissen, dass die Kurbelwellen der A65 der ersten Baujahre den Hohlraum für die Schlammhülse durchgebohrt haben, es gibt also zwei Stopfen aka crankshaft oil plug, einer rechts und einer links.
Soweit ich weiß, ist das bei den A7/A10 auch so gewesen, zumindest hatte die A10 big journal-Welle, die ich unlängst in der Mache hatte, auch zwei Stopfen.
Der Moder war also wieder zusammengebaut und irgendwann lief das Moped dann an.
Nach 300 km hatte sich der stolze Besitzer gemeldet, sein Moped würde üble Geräusche machen.
Kann nicht sein, denke und sage ich, und dann hatte ich mir das dann angesehen. Der Kolben im OPRV war frei, die Ölschläuche waren auch richtig montiert, bei den dry frame-A65 muss man die Schläuche kreuzen vom Öltank zum manifold. Das wird gerne mal übersehen bei der Montage.
Am Anfang hatte ich gedacht, da hört einer Flöhe husten, so schlimm wird das wohl nicht sein, weil die A65 eh alle a weng rasseln und klappern.
Ich hab' das Ding angetreten und nach 2 sec wieder abgestellt, weil sie wirklich arg arg üble Geräusche gemacht hatte.
Top end ab. Macht den Ton am Rechner an, hier könnt Ihr sehen und hören, was ich da vorfand...
Lasst es mich so sagen, so richtig begeistert war ich da nicht.
Also den Moder raus und gespalten, et voilà noch ein weiteres Video zum Radialspiel am Pleuel rechts.
Irgendwann war dann die Welle draußen und die Pleuel ab. Auffällig war dabei, dass die Verschraubung des rechten Pleuels ziemlich leicht aufging, also die 30 Nm, die da draufgehören, waren da nicht mehr vorhanden.
Schaut Euch die Bilder an. Pleuel tot, Lagerschalen tot, Hubzapfen verhunzt. Wirklich kein schöner Anblick.




Warum ist das in Dreiteufelsnamen nochmal passiert?
Und ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich drauf gekommen bin, an was der neuerliche Defekt lag, auch wenn es beim zweiten Mal nicht das linke, sondern das rechte Pleuellager war, das krepiert ist.
Um Euch nicht weiter auf die Folter zu spannen, es lag an den Stopfen.
Hier ein Bild der Kurbelwelle mit demontiertem rechten Stopfen, die Hülse ist noch drin. Man sieht die schräge Bohrung, über die das Öl von der Buchse kommend in die Hülse gefördert wird, über selbige werden dann die Pleuel versorgt.

Und das ist der Stopfen, der da montiert war. Der Stopfen hat eine Nase/eine Titte angedreht, wie man sehen kann.

Wenn man das jetzt so montiert, wie das der Holländer gemacht hatte, dann verschließt diese Nase den Zufluss von Öl in die Hülse selber, oder begrenzt den Ölfluss in die Hülse zumindest extrem.
Schaut Euch mal die Verfärbung an der Hülse an, da ist das bisschen Öl, das da ankam, anständig heiß geworden. Um es mit Alex-Boy zu sagen: ...so richtig Horrorshow...

Und zack, reicht die Ölmenge nicht, um beide Pleuel auf dem hydrodynamischen Keil aus Öl laufen zu lassen. Öldruck haste da satt, weil es läuft ja nichts rein in die Pleuellagerung, nutzt nur nix, wenn die Ölmenge fehlt.
Das geht dann ziemlich fix, die Schale fängt an zu fressen, läuft sich auf dem Hubzapfen ab und schmiert den zu, malträtiert den Hubzapfen, die Schale verliert ihre Form und fängt an sich in der Grundbohrung zu drehen, die Pleuelverschraubung verliert dadurch Vorspannung.
Und wieder hatte der Eigner des Mopeds richtig viel Massel, dass das Pleuel noch ganz geblieben und nicht gerissen ist.
Eigentlich ist die Lage der Stopfen in der zugehörigen spare parts list für das entsprechende Baujahr schön dargestellt, sehet selbst. Den flache Stopfen hätte ich auf die rechte Seite montiert müssen.

Nur wenn so ein Depp wie ich, mit einer übergroßen Portion Selbstvertrauen ausgestattet, dann sofort konstatiert, dass der holländische Vorschrauber die Pleuelbolzen nicht richtig festgezogen hat, ohne auf die der fehlenden Vorspannung zugrundeliegenden Ursache zu kommen, einfach wieder so zusammenschraubt. Dann macht man das halt zweimal.
Klar waren die Bolzen lose, aber auf Neusprech: der root cause des Defekts waren die vertauschten Stopfen der Schlammhülse.
Und ich hatte das beim ersten Mal genauso wieder zusammengebaut, wie das vom Holländer montiert war, ohne weiteres Nachdenken. Weil der Holländer war ja zu blöd, um einen Drehmomentschlüssel zu nutzen. Ich hatte das ja sofort erkannt....
Dabei hätte ich nur in die spare parts list schauen müssen...
Mein Gott, das ist richtig peinlich.
Der Moder ist mittlerweile wieder zusammen und drin, er läuft gut jetzt.
Und die Moral von der Geschicht'?
Ich hab' Euch den Fläz hier geschrieben, um Euch sozusagen live und in Farbe vorzuführen, dass es ganz viel Sinn machen kann bzw. macht, nicht auf die erstbeste Fehlerdiagnose zu vertrauen und auch die eigenen Fähigkeiten durchaus kritisch zu sehen bzw. zu hinterfragen.
Und es ist natürlich für die Jungs geschrieben, die A7/A10 oder ganz frühe A65-Wellen in der Mache haben.
Schaut vor dem Einbau der Stopfen in die spare parts list, da ist es richtig abgebildet, wo die hingehören.
Und, jetzt dürft Ihr all Euren Spott und auch die vorhandene Häme über mir ausgießen, verdient habe ich das allemal.
Schöne Grüße
Ph.