Hallo Leute,
eine wichtige Anmerkung vorab: Das How to-Ding soll zeigen, wie man die jeweiligen Instandsetzungen machen kann.
Jedwede Verantwortung für die Richtigkeit des Vorgehens lehne ich ab, Ihr macht das auf Euer eigenes Risiko ggf. nach oder auch nicht. Korrekturen oder zusätzliche Anmerkungen sind willkommen und gern gesehen.

Weiter geht es mit den Standard-Reparaturanweisungen, bzw. hier konkret mit einer Anleitung zum Anziehen schlecht zugänglicher Verschraubungen, wo man einen normalen Drehmomentschlüssel nicht ansetzen kann.
Der Beitrag greift einen Faden aus dem Januar 2022 im BSA-Unterforum auf, bei dem teilweise mit einiger Aufregung da drüber diskutiert wurde, und ist eigentlich nur eine Zusammenfassung des zuvor genannten Artikels. Good young Oliver aka T140-Oli war so freundlich und hat mir die Verwendung seiner Skizzen und Bilder ausdrücklich erlaubt.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, er hatte auch einen Großteil der erforderlichen Berechnungen zur Verfügung gestellt. Nochmal meinen herzlichen Dank dafür, Oliver!
Das gewählte Beispiel der BSA A65 ist eben das aus dem ursprünglichen Faden, es gibt jede Menge andere Verschraubungen an den englischen Mopeds, wo das gleich oder ähnlich ist. So eine Situation gibt es auch bei den Commandos bei dem hängenden Stehbolzen im Kopf.
Bei einer A65 ist das dergestalt, dass die äußeren Muttern der Kopfverschraubung sozusagen überbaut sind, dann kommt man nicht mit einer Stecknuss und dem Drehmomentschlüssel ran, weil Teile des Kopfs da direkt drüber liegen.
Hier mal ein Beispiel, wo man das am Kopf vom Blitz sehen kann.

Um bei den BSA Unit Twins zu bleiben, da gab es im entsprechenden workshop manual einen Hinweis zum Anziehen solcher Verschraubungen, dass man dann eine Schlüsselverlängerung nutzen könne, dafür dann aber eine Korrekturberechnung auszuführen haben, um dem verlängerten Hebelarm Rechnung zu tragen.

Das ist ja logisch, das aufzubringende Drehmoment M ist gleich dem Produkt aus Kraft F mal Hebelarm l. Und der Hebelarm verlängert sich, wenn die abgebildete Schlüsselverlängerung in einer Linie mit dem Drehmomentschlüssel genutzt wird. Der wesentliche Punkt hierbei ist, dass die genannte Verlängerung in einer Linie mit dem Drehmomentschlüssel aufgesteckt und genutzt wird.
Die im manual dargestellte Berechnung dem Grunde nach einfach, aber wirklich notwendig ist das Umrechnen nicht, wie später erläutert werden wird.
Jetzt gibt es aus der Werkzeugindustrie auch für so eine (eingeschränkt zugängliche) Situation Lösungen, wobei man einen Drehmomentschlüssel für Einsteckwerkzeuge heran zieht, der teilweise auch elektronisch die Verlängerung des Hebelarms berechnet und daraus einen Korrekturfaktor beim Anzug vorgibt.
Ihr könnt ja mal die Suchmaschine Eurer Wahl mit dem Suchbegriff Stahlwille Manoskop füttern, dann seht Ihr so ein Wunder der Werkzeugtechnik.
Leider sind diese Wunderdinger nicht wirklich billig, und es kann ggf. auch Schwierigkeiten machen, für die zölligen AF-oder gar Whitworth-Schlüsselweiten passende Einsteckwerkzeuge zu bekommen.
Zurück zur BSA A65-Kopfverschraubung. Die Muttern außen kann man nur mit einem Adapter oder einem entsprechend vorbereiteten Schlüssel anziehen, wie nachfolgend abgebildet.
Zuerst die Variante mit einem aufgefeilten (ja, ich weiß schon, dass aufgefeilte Schlüssel Murks sind) 15 mm-Ringmalschlüssel. Da ist auf der Maulseite dann ein Bolzen mit dem 5/16"-Whitworth-6-Kant reingebraten. Das geht mit jedem anderen 6-Kant auch, ich hab' die Größe nur deshalb genommen, damit ich die Nuss nur einmal beim Nachziehen wechseln muss.

Das ist dann die Variante mit einem dafür hergestellten Adapter. Der Adapter ist von Motion Pro, die Bezeichnung lautet 08-0380. Andreas aka AHO hatte irgendwann mal so einen Adapter beigebracht und mich doch sehr dafür begeistert.
Diese Variante mit dem Adapter hat den Charme, dass man keinen Schlüssel opfern muss und auch für andere verbaute Stellen über die Kopfverschraubung der A65 hinaus universell einsetzbar ist.

Der Witz ist bei beiden zuvor bebilderten Varianten, dass man nix, niggese, nada, niente am Drehmoment umrechnen muss, wenn der Drehmomentschlüssel senkrecht, also im rechten Winkel zu dem Ringschlüssel angesetzt wird.
Nochmal: beträgt der eingeschlossene Winkel genau 90°zwischen dem (Ringmaul-) Schlüssel und dem Drehmomentschlüssel bedarf es keiner Umrechnung, das für die Verschraubung vorgegebene Drehmoment wird am Drehmomentschlüssel eingestellt und gut.
Warum das so ist, hat Oliver in den drei nachfolgend angehängten Skizzen gezeigt.
Das ist die normale Anwendung eines Drehmomentschlüssels.

Hier wird der Drehmomentschlüssel in einer Linie (also mit 0°) auf der genutzten Ringschlüsselverlängerung aufgesteckt und bildet so die im BSA-workshop manual dargestellte Situation ab, wo umgerechnet werden muss.

Und hier greift der Drehmomentschlüssel senkrecht (mit 90°) auf der Ringschlüsselverlängerung an.

Auch wenn es ziemlich verkopft ist, hatte Oliver seinerzeit die Grundlagen für die hier angehängte Excel-Datei geschaffen, und ich hatte das dann in die Datei rein geklimpert.
Praktischen Nutzen bietet die Datei keinen, es geht nur um die Verdeutlichung des Effekts.
Am Ende ist es so, dass man mit der Datei spielen kann und man die Auswirkung auf das aufgebrachte Drehmoment sieht, wenn man dann doch nicht exactement 90° einhält. Es gibt ja viele verschiedene Drehmomentschlüssel, die sich auch in der Zähnezahl der Ratschen unterscheiden.
Ich hab‘ in meiner Werkstatt welche mit 20, 36 und 48 Zähnen am Start. Ein Zahn neben den 90° liegen macht da schon einen ziemlichen Unterschied beim aufgebrachten Drehmoment.
Der gute Uli hatte seinerzeit noch in dem Faden geschrieben, es sei eine gute Idee, mal einen Schlosserwinkel ran zu halten, um die 90° dann zu verifizieren. Dem ist definitiv so.
Und auch klar muss sein, so eine Abhandlung wie hier ersetzt in keinem Fall Erfahrung beim Schrauben sowie das Einschalten des eigenen Hirns.
Ach ja, eins noch. Immer die jeweilige Verschraubung eine Viertelumdrehung lösen vor dem Anziehen auf Drehmoment, weil man will ja das entsprechende Drehmoment aufbringen und sich nicht vom Losbrechmoment der Verschraubung übertölpeln lassen.
Das war es auch schon. Vielen Dank für Eure Geduld.
Beste Grüße
Ph.